Schön wars. Gar zauberhaft.
55° Nord hat beeindruckt. Die Musik der jungen Künstler
aus Norwegen hat ganz tief die Seelen der mittelhessischen Zuhörer
berührt. Bereits das Auftaktkonzert der von Ladies in Culture
im KFZ und Strömungen e.V. organisierten Reihe machte
deutlich wie facettenreich und heilsam die Musik des hohen Nordens
wirklich ist.
Torun
Eriksen setzte Maßstäbe und brachte Liebe ins
KFZ. Das Engelsgleiche Vokaltalent offenbarte unendlich weite Klangwelten.
Kraftvoll wie ein Geysir, beeindruckend wie ein Fjord. Eine Querflöte
schmiegte sich an ihre warme Stimme, der Jazzbesen streichelte die
sanften Balladen von Liebe und Schmerz. Finger schnipsten. Die Mischung
aus Jazz und Soul kroch unter die Haut, pulsierte in den Adern.
Mal euphorisch, mal verhalten, aber immer entspannt. Nicht minder
gelassen ging es bei Maria
Solheim zu. Die Fangemeinde der zarten Elfe war entzückt.
Die kleine Frau mit den kleinen Gesten und dem tiefen Knicks nach
jedem Lied versprühte den großen Reiz des Minimalistischen.
Befreit von der Härte des Schlagzeugs wärmten die elementar
fragilen Lieder so gut wie die dicken Wollsocken der charmanten
Solheim. Unvergessen auch das in die Stadthalle verlegte Konzert
von Rebekka
Bakken.
Die attraktive Brünette löste mit ihrem monumentalen Auftritt
Jubelrufe der 450 Besucher aus. Doch nicht nur die Damen Norwegens
wussten mit musikalischer Vielseitigkeit zu imponieren. Auch die
männlichen Nordlichter hinterließen flammend emotionale
Spuren in Marburg. Dem Ketil
Bjørnstad Trio gelang ein beseelter Balanceakt aus
Stille und Melodie-Gewittern. Im vollbesetzten KFZ wagte man kaum
zu atmen, um nicht die einmalige Atmosphäre zu stören.
Weder das dumpfe Bassgrollen, noch die wilden Piano-Exzesse verloren
jemals bei Bjørnstad an melodischer Harmonie. Musik, die
man gern hören würde, wenn man auf einer Eisscholle im
Polarmeer treibt. Denn Hoffnung schwingt bei den leidenschaftlichen
Jazztönen immer mit. Genau wie bei Emmerhoff
& The Melancholie Babies und Minor
Majority.
Beide Rockbands begeisterten an einem Abend mit Schwermut in der
richtigen Dosierung. Wenn man Herzschmerz hat und einfach alles
irgendwie schwer ist, sollte man sich mit dieser melancholischen
Musik ins Bett verkriechen. In den voluminösen, hallenden und
manchmal fast schwebenden Sound von Schlagzeug, Bass und Gitarre
schmiegte sich Emmerhoffs raue Stimme. Als Balsam für aufgewühlte
Gemüter von Beziehungsgeschädigten erwiesen sich Minor
Majority. Frontmann Pål Angelskårs klare und charismatische
Stimme wurde von der etwas höheren Tonlage seines Gitarristen
Jon Arild Stiengs perfekt ergänzt. Das zweistimmige Wehklagen
half, den Oktoberhimmel nicht mehr ganz so trübe aussehen zu
lassen. Wem diese beiden Bands für therapeutische Zwecke nicht
genügten, hätte zu einem Konzert von Halvorsen &
Bruvoll pilgern müssen. Das Duo ließ Ende November
kunterbunte Klangflocken durchs KFZ schneien. Unterstützt wurde
der manchmal mittelalterlich anmutende besinnlich schöne Minnesang
von einer Brise Entertainerqualitäten Tore Bruvolls. Da musste
der geneigte Zuhörer einfach schmunzeln. Somit hat die Reihe
55° Nord immer wieder überrascht und letztlich praktisch
alle Wehwehchen geheilt, die mit Musik zu heilen sind.
Schön zauberhaft eben.
Nadine Weigel
Oberhessische Presse
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