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Der Kulturinfarkt, ein Buch zu Kulturpolitik und seine Ankündigung im „Spiegel“: eine Stellungnahme.

Nach Erscheinen des im Spiegel  erschienen Artikels „Die Hälfte?, warum die Subventionskultur, wie wir sie kennen ein Ende finden muss“, kann man Vieles neu diskutieren. Das ist erst einmal das Positive in der kulturpolitisch interessierten Öffentlichkeit, dass eine Öffnung zur Debatte gefunden wurde und diese  über und mit dem Artikel breit geführt wird. Dazu braucht es auch schon mal gezielte Provokation. Kulturpolitik muss, kann und sollte neu überdacht werden. Da kann ich den vier Autoren voll und ganz zustimmen!!!
Dann hört Vieles an Zustimmung aber auch schon wieder auf. Die Analyse, dass die Geschichte des „Patienten“ (subventionierter staatlicher Kulturbetrieb) in den Siebzigern begann, ist schlicht und ergreifend falsch. Nehmen wir hessische Kulturpolitik, dann haben heute - im Jahr 2012 - über 50% des gesamten hessischen Kulturhaushaltes etwas mit der Aufteilung der hessischen Landgrafschaft durch den Gründer der Philippsuniversität an seine Söhne zu tun, die in den jeweiligen Sitzstädten die heutigen Staatstheater gründeten. Hessen als eines der reichsten Bundesländer hat die Förderung von innovativen Kulturinstitutionen, von neuartigen Formen von Kulturpflege zu großen Teilen verschlafen, weil sich hauptsächlich um Theater, Museen, Kunstsammlungen, Schlösser und Gärten etc. gekümmert wird. Gleich ob Revolution 1918/19, Reichskulturkammer im Faschismus oder die Wiedereinführung der Demokratie in Hessen mit über 40 Jahren SPD Regierungen, an den Staatstheatern wurde nie gerüttelt. Für Angebote für Jugendliche oder für schlicht und ergreifend „Neues“ steht nur selten und dann oft wenig Geld zur Verfügung. Deswegen ist die Debatte um eine neue Kulturpolitik so wichtig!
Es darf aber bezweifelt werden, dass der jetzige Sturm der 4 sich selbst gut in Szene setzenden Herren Armin Klein, Dieter Haselbach, Pius Knüsel und  Stephan Opitz daran etwas ändern wird. Dass so intelligenten Menschen wie den vorgenannten solche Analysefehler unterlaufen, wie den Anfang des „Patienten“ in den 70ern zu suchen, kann psychologische Erklärungen finden, hatte doch Armin Klein in den 70ern „unter“ Hilmar Hoffmann“ in Frankfurt gearbeitet.
Nun wird es scheinbar höchste Zeit, dessen Credo „Kultur für alle“ in Deutscher Gründlichkeit zu schleifen, in dem der Ausbau der kulturellen Infrastruktur als die „letzte Offensive des vordemokratischen Modells des Kunstbürgers“ interpretiert wird. Vatermord lässt grüßen und wurde auch höchste Zeit, denn die Schreiber des Artikels sind selbst nicht mehr die jüngsten.
Aber zum Schmunzeln regt der Artikel ebenso an: Schreibt doch ein Professor für Kulturmanagement und Kulturwissenschaft von der „Fiktion“, mit Kulturmanagement effizienten Mitteleinsatz zu erzeugen. Der Mann hat Humor wie mir scheint. Eine wesentliche Kulturleistung ohne den der Artikel in sozialer Hinsicht auch wirklich nicht zu ertragen ist. 50% der Kultureinrichtungen schließen bedeutet, Politiker, denen das Wohl und Wehe von abertausenden Menschen und deren Familien im Kulturbereich völlig gleichgültig ist, bei gleichzeitiger Rettung mit Milliardenschirmen für Banken, die sich verzockt haben.

Ich bin sehr dafür die Förderungen im Kulturbereich zu ändern, keine Frage. In der Radikalität wie dies die Autoren fordern „Die Hälfte?“ ist das sicherlich werbeträchtig für ihr Buch, aber letztlich dürfte auch einem Dieter Haselbach, der ja seit Jahren Gebietskörperschaften berät, klar sein (Warum berät er die so, dass er solche Bücher schreiben muss), dass solches Ansinnen unrealistisch ist. Und deshalb liegt auch im gesamten Artikel etwas nervig, selbstbezogenes der Autoren. Für Dieter Haselbach ist aber „Die Hälfte?“ sicher auch eine Werbung als Kulturberater.
Mein Vorschlag um zu einer grundsätzlichen Neuorientierung im Kulturbereich zu kommen:
Wenn keine Zuwächse im Gesamthaushalt zu verzeichnen sind, dann sollten dem jeweiligen  Kulturhaushalt (ob Land, Bund oder Kommune)in den einzelnen Positionen z.B. 3 % als frei verfügbare Masse abgezogen werden, die dann unter inhaltlichen Gesichtspunkten anders verteilt dem Kulturbereich wieder zugeführt werden. Die Neuverteilung von Mitteln, eine andere Ausrichtung von Kulturpolitik, eine bewusste Debatte zu führen und damit über den Sinn von Leben und Gesellschaft zu streiten: immer und gerne!

Gero Braach