Offener Brief zur Lage des KFZ
Vor einem Jahr wurde der Offene Brief zur Lage der Marburger Kulturinstitutionen „Der Wert von Kultur ist unbezahlbar. Wir müssen über Geld reden.“ veröffentlicht. Hier machten wir auf die dringend notwendigen Inflationsausgleiche in den Kulturhaushalten aufmerksam. Ihr könnt ihn auf unserer Homepage unter Aktuelles nachlesen. Heute, ein Jahr später, ist die Lage der Kultur existenzbedrohend.
Aktuell gibt es viele Berichte über drohende Haushaltskürzungen und Forderungen, die Kulturhaushalte zu kürzen. Diese Vorschläge werden öffentlich in der Presse diskutiert. Die dringend notwendigen Inflationsausgleiche bleiben aus. Viele von euch fragen uns daher, wie es dem KFZ derzeit finanziell geht und was wir zu diesen Berichten und Forderungen sagen.
Das KFZ ist das älteste soziokulturelle Zentrum in Hessen. Seit fast 50 Jahren steht es für eine vielfältige und demokratische Kulturarbeit, die die Teilhabe und Mitgestaltung vieler Menschen ermöglicht. Jährlich besuchen uns rund 60.000 Besucher*innen. Möglich ist das nur durch ein starkes Zusammenspiel aus hauptamtlichem Team, ehrenamtlichem Engagement und öffentlicher Förderung. Doch dieses Modell gerät zunehmend unter Druck.
Rund 55 % unserer Mittel erwirtschaften wir selbst, nur 45 % stammen aus öffentlichen Förderungen. Damit liegen wir deutlich über dem Bundesdurchschnitt soziokultureller Zentren und weit über dem vieler öffentlicher Einrichtungen, die in der Regel nur 10-15 % selbst einnehmen. Diese Eigenständigkeit war immer Teil unserer Stärke. Heute ist sie ein Risiko.
Die Nachwirkungen der Coronapandemie spüren wir weiterhin. Der Ticketverkauf ist noch immer nicht vollständig auf dem Niveau von 2019 angekommen. Gleichzeitig steigen seit Jahren unsere Kosten – und zwar drastisch: bei Betriebskosten (z. B. Strom), bei der Öffentlichkeitsarbeit, beim Einkauf, bei Technikbedarf, bei Instandhaltungen und bei externen Dienstleistungen. Hinzu kommt der gestiegene Mindestlohn – eine wichtige Errungenschaft, die wir ausdrücklich begrüßen, die uns aber finanziell stark fordert.
Da wir mehr als die Hälfte unserer Mittel selbst erwirtschaften, tragen wir auch den Großteil dieser Kostensteigerungen allein. Gleichzeitig können wir unsere Eintrittspreise nicht beliebig erhöhen. Denn damit würden wir das Gegenteil dessen bewirken, wofür wir stehen: kulturelle Teilhabe für alle. Trotz der schwierigen Umstände halten wir Preise solidarisch niedrig und bieten kostenlose Veranstaltungen an.
Wir fordern einen Inflationsausgleich in den Kulturhaushalten. Nicht für Wachstum oder Luxus – sondern um den Status quo halten zu können, um trotz Inflation und steigender Kosten den Anteil der Förderung an unserem Gesamtumsatz konstant zu halten. Selbst eine gleichbleibende Kulturförderung ohne Inflationsausgleich wirkt sich für uns wie eine reale Kürzung aus – mit unmittelbaren Folgen.
Ohne einen Inflationsausgleich in den Kulturhaushalten stehen Programme auf der Kippe, die sich nicht selbst finanzieren können – betroffen wären unter anderem unser Kinderprogramm, das sich trotz Förderung fast nie trägt, Angebote zur Nachwuchsförderung wie „Marburg Calling”, inklusive Veranstaltungsformate wie die „Party für alle“, offene Bühnen wie der „Marburger Abend” oder diverse Formate z. B. im Bereich Weltmusik. Auch unser Engagement im Bereich Geschlechtergleichheit wäre betroffen, indem wir z. B. weniger Frauen* bzw. Finta* im Marburger Kabarettherbst oder im Konzertbereich veranstalten könnten. Darüber hinaus wäre der Großteil der Veranstaltungen lokaler Gruppen und Initiativen gefährdet, denen wir keine kostendeckende Miete abverlangen. Eine Programmentwicklung in Richtung Mainstream wäre unvermeidbar und manche Zielgruppen, z. B. Kinder, würden wegbrechen – das aber gefährdet nicht nur unser Ziel, ein vielfältiges Programm für viele Menschen anzubieten, sondern auch unsere Förderungen, denn desto kommerzieller unser Programm wird, desto weniger Förderung erhalten wir. Und spätestens da wird es sehr kompliziert. Eine Abwärtsspirale droht.
Hinzu kommt: Rund 140 Menschen engagieren sich im KFZ ehrenamtlich. Auch alle hauptamtlichen Mitarbeiter*innen – übrigens ausschließlich Teilzeitkräfte – arbeiten nebenbei ehrenamtlich im KFZ. Unsere Veranstaltungen werden größtenteils ehrenamtlich durchgeführt und auch die Programmgestaltung erfolgt gemeinsam mit Ehrenamtlichen. Diese Ehrenamtlichen engagieren sich im KFZ aufgrund unserer soziokulturellen Programmvielfalt, die sich an ein breites Publikum richtet. Wenn diese unter Druck gerät, riskieren wir das Wichtigste im KFZ: Unser großes Team und unsere Besucher*innen – die Menschen hinter dem KFZ und die, die es tragen.
Wenn Räume für Kunst und Kultur gefährdet sind, sind es auch die demokratischen Werte und die respektvollen Formen des Zusammenlebens, die gefährdet sind, denn gerade jetzt sind Räume wichtig, in denen Menschen unterschiedlicher Hintergründe aufeinandertreffen können. Kultur bildet, heilt, verbindet, bereitet Freude. Kultur hinterfragt. Kultur schafft Orte der Begegnung, ermöglicht Diskussion und Meinungsbildung, gibt Raum für kritische und gesellschaftliche Auseinandersetzung. Das ist gelebte Demokratie. Wenn wir diese Räume verlieren, verlieren wir Orte, an denen Solidarität gelebt werden kann.
Kultur braucht Verlässlichkeit. Kultur braucht Perspektive. Kultur braucht konstante Förderungen. Für das KFZ. Für die Menschen, die sich hier engagieren und das KFZ tragen. Für uns alle.
Eine Kürzung der Kulturhaushalte wäre für uns existenzbedrohend und bereits das Ausbleiben eines Inflationsausgleiches hätte für uns weitreichende Einschnitte in der Programmvielfalt zur Folge.
Kultur ist kein Luxus. Kultur ist lebensnotwendig. Ohne Kultur wird es dunkel.